Virtuell und direkt sinnlich

Es geht nicht darum, ob wir eher die Programmierung oder direkte sinnliche Erfahrungen jenseits informationstechnologisch vermittelter Kommunikation forcieren bzw. fördern sollen, vielmehr geht es darum, eine neue Balance eine neue Mitte zwischen diesen Extremen herzustellen, eine neue Ebene der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine zu entwickeln.

Programmierung auf der einen und direkte sinnliche Erfahrungen auf der anderen Seite. Was ist darunter zu verstehen? Ich verstehe darunter die Vermittlung einer neuen Art von Alphabetismus, der sich diesmal in erster Linie auf das Erlernen formaler Sprachen bezieht, damit ist der Umgang mit Programmiersprachen gemeint, Sprachen, die es ermöglichen, mit einer Maschine zu kommunizieren, einer Maschine jedoch, die sehr unflexibel ist, die exakte und genaueste Anweisungen benötigt, ein Dialogpartner, der nicht zu improvisieren imstande ist und selbst dann, wenn er es zu sein scheint, dies ausschließlich auf ganz komplexen Berechnungen beruht, Berechnungen, die bei der Programmierung bereits mitgedacht worden sind, Berechnungen, die hoch komplex sein mögen, die dennoch nur insofern das “Ganze” abbilden, als es vorher als Ganzes mitgedacht wurde. Dies ist sicherlich eine etwas vereinfachte Darstellung, können doch heute bereits Systeme programmiert werden, die durchaus imstande sind zu lernen, und gerade diese Ebene der neuen Beziehungsformen zwischen verschiedenen „Intelligenzen“ – also künstlich und „natürlich“ stellt eine der größten Herausforderungen für den „Stoffwechsel“ zwischen Mensch und Maschine dar.

Rechner sind endliche Automaten und das sollten wir bei all diesen Diskursen niemals vergessen, Selbständigkeit ist soweit möglich, soweit sie vorher in die jeweilige Software hineingelegt wurde, sie stellt nicht das Produkt einer quasi aus dem Nichts erfolgten Entscheidung dar: alle möglichen Entscheidungen sind deterministisch, d.h. im voraus als mögliche Resultate festgelegt. Ist dies nicht der Fall, so handelt es sich um keinen endlichen Automaten.

Als Gegenpol zu dieser Form der Weltabbildung, der Welterfahrung, der Konstruktion von Welten steht die direkte Erfahrung basierend auf “körpereigenen” Sensoren, die Information wird sozusagen direkt ins Hirn geliefert und dort – wenngleich auch individuell und kulturell konnotiert – verarbeitet, was also keineswegs heißt, dass Erfahrungen dieser Art von Natur aus “rein” seien, Erfahrungen werden hochgerechnet, verarbeitet, kategorisiert etc. es kommt darauf an, in welcher Stimmung und welcher Haltung wir diese Art der Information aufnehmen, in welcher Kultur wir aufgewachsen sind etc., ein Impuls von außen kann stets vollkommen andere Reaktionen hervorrufen, abhängig von den jeweiligen Verarbeitungsprogrammen, die sich in der Folge mit diem Informationsfluß beschäftigen werden.

Im Garten zu arbeiten, in die Erde zu greifen, sehe ich daher als Gegengewicht zu einer in erster Linie virtuell vermittelten Welt, einer Welt, die Millionen von Schaltkreisen bereits durchlaufen hat bevor sie überhaupt erst am Bildschirm landet. Dieser “Nachbau” ist seiner Grundstruktur nach vollkommen anderer Natur als das persönliche sinnliche Erlebnis im direkten Austausch von z.B. Gefühls- und Energieströmen.

Im Internet zu daten hat eine andere Grundstruktur als in einer Bar mit jemandem zu flirten, ja im direkten Austausch sich in welcher Form auch immer zu berühren. Im Virtuellen steht zwischen den Kommunikationspartnern und -partnerinnen steht eine digitale Wand, die es erst mit ihren Kabeln und Funkverbindungen ermöglicht, diese Verbindung herzustellen, im direkten Austausch hingegen, durchlaufen die Ströme ganz andere Bahnen, die Informationen werden anders gefiltert, es wird nicht ständig umgerechnet und über Interfaces angepasst, wir haben es eher mit einer mitunter sehr rohen, direkten Masse an Informationen zu tun, Informationen, die ganz anders aufbereitet unsere Gehirnregionen durchströmen.

sEs geht um nicht mehr aber auch nicht weniger als um direkte sinnliche Wahrnehmung, die ihrerseits wiederum aufgrund verschiedenster subjektiver und kultureller Rahmenbedingungen ganz unterschiedliche Bilder generiert, und Berechenbarkeit: was kann Berechenbarkeit leisten, wo ist sie sinnvoll und wo stößt sie auf Grenzen, was kann hingegen z.B. Intuition oder ein subjektives Gefühl leisten und wo stößt man hier wiederum auf Grenzen: Diese Fragen sind zu stellen. Begreifen wir Intuition etwas vereinfacht als das Ergebnis komplexer erfahrungsgeschichtlicher Verarbeitungen, und verlieren wir diese Fähigkeit zu intuitivem Handeln, so werden wir zusehends abhängig von komplexen Berechenbarkeitssystemen, was in letzter Konsequenz ja nichts anderes bedeutet als ein massiver Verlust an individueller Freiheit.

Intuition erfordert Entschlossenheit, erfordert einen ausgeprägten Willen und den scheinen wir aber zusehends im Dschungel der Berechenbarkeit abzugeben: je mehr in Berechnungen delegiert wird umso weniger entschlossen treffen wir persönliche Entscheidungen, verlassen wir uns auf das Urteil eines anderes, einer anderen, einer Maschine vielleicht. Von daher die Notwendigkeit zum Erlernen dieser Sprachen, mit denen wir es vermögen, mit Maschinen zu kommunizieren, denn sie sind die „Mitbewohner“ des modernen Menschen geworden, im Format des Smartphones tragen wir sie fast wie ein Heiligtum mittlerweile vor uns her.