Anna, der liebe Gott und die Schule

So lautet der Titel des Buchs von R.D. Precht worin er zu einer wie auch immer gearteten Bildungsrevolution aufruft. Die Gefühle beim Lesen sind gemischt, so manches ist zu oberflächlich hingesagt, dann aber trifft er doch wieder den Kern des Problems, zusammenfassend kann folgendes gesagt werden: die Schule muss sich radikal verändern, ein Tatbestand, der wahrscheinlich von vielen geteilt wird, doch danach scheiden sich die Geister fast vollständig.

Ich arbeite seit nunmehr 28 Jahren in diesem Betrieb und ich weiß, wovon ich spreche und dass sich etwas ändern muss, steht für mich außer Frage. Ich habe stets an der Peripherie unterrichtet, Fächer, die im allgemein anerkannten Bildungskanon eine untergeordnete bis gar keine Rolle spielen oder spielten, WAT, Wirtschaft Arbeit Technik und Informatik.Bei Informatik werden wohl viele sagen, dass das Fach wichtig wäre, doch kann heute noch jeder Schüler und jede Schülerin das Abitur absolvieren ohne auch nur in welcher Form auch immer mit Programmieren oder Informatik im Allgemeinen in Berührung gekommen zu sein.

Die neuen Medien, welch abgedroschene Redewendung, sie haben alles verändert, haben uns eine Welt eröffnet, mit der die Schule nur sehr zögerlich umzugehen lernt, ja sie sogar im Herzen vielleicht sogar noch zurück weist. “Coding is the new latin”, solche Sätze sprechen etwas aus, was verdeutlicht, wie dominant Programmiersprachen unser aktuelles Leben beeinflußen.

Im Herzen der Programmierung steht der Algorithmus, eine Methode um Vorgänge gleichsam automatisch ablaufen zu lassen, Prozesse können gesteuert, reguliert und somit auch kontrolliert werden, die Kehrseite des Automatischen ist immer schon die Kontrolle, die Regulierung, die Steuerung gewesen, nur wird sie zu selten ans Licht geholt. Damit ein Algorithmus erstellt werden kann, muss das Problem, um das es sich handelt, endlich sein, es muss sozusagen “terminieren”, darf nicht ins Uferlose laufen, denn dafür sind Programme ungeeignet, sie können nur in einer klar umrissenen Welt sich zurechtfinden, das Unendliche, das Ungefähre ist so gar nicht die Welt der Programmierung.

Spontanität und Programmierung, kann das zusammengehen? Versteht man darunter eine sozusagen aus dem Nichts auftauchende kreative Kraft, die in sekundenschnelle erschafft und schöpft und in eine Form bringt, dann sieht es mit den Programmen wahrscheinlich schon sehr schlecht aus, notwendig dafür ist die Fähigkeit zum intuitiven Erfassen einer Situation, d.h. der Ganzheit einer Situation. Dennoch muss uns allen bewusst sein, dass auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz massiv geforscht und probiert wird und dass mittlerweile Rechensysteme in der Lage sind, selbständig zu lernen, was sie dazu in erster Linie brauchen, das sind Daten und die können mittlerweile tonnenweise geliefert werden.

Programmierung kreativ einsetzen heißt nicht einfach, die Welt “smarter” zu machen, das könnte auch nach hinten losgehen und uns zu immer passiveren Usern degradieren, wir drücken nur mehr die Knöpfe, die Lösungen spuckt das Programm, das aufgerufen wird, aus, scheinbar kreativ, im Grunde aber nur dazu befähigt, was vorher in welcher Form auch immer, in das Programm “hineininvestiert” wurde, das kommt zurück – nicht mehr und nicht weniger.