Wir sind mitten drin
Sieht man sich den neuen Rahmenlehrplan für WAT (Wirtschaft-Arbeit-Technik) an, so hat man das Gefühl, dass alles, was gesellschaftlich relevant und brisant ist, alles lebenspraktisch Notwendige in dieses Fach gestopft worden ist. Das hat den Vorteil, dass in diesem Fach eine Freiheit des Unterrichts in Sachen Organisation und Inhalt gegeben ist, von der andere Fächer nur träumen können: fächerübergreifend, projektorientiert und nahe an der Praxis, das sind nur einige der Schlagwörter, die das neue Rahmenlehrplankonzept bestimmen. Durch die Umbenennung von Arbeitslehre in WAT (Wirtschaft-Arbeit-Technik) wird der Fokus von der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern des Menschen umgelenkt auf die Auseinandersetzung mit den ökonomischen Rahmenbedingungen wie unternehmerisches Handeln, nachhaltiges Wirtschaften, kritisches Konsumverhalten etc. der Fokus verschiebt sich von der konkreten Arbeitsstätte – den Werkstätten, der eigentlichen Produktionsstätte – auf die Bühne des unendlich weitgefächerten unternehmerischen Handelns mit dem Konsumenten als „Zielscheibe“, als aktiver wie auch als passiver Mitspieler.
Die Welt der Produktion „verschwindet“ immer mehr aus unseren Augen, die Backwaren kommen bereits als halbfertiges Produkt in die vielen Backshops, werden dort nur mehr aufgebacken, die eigentliche Entwicklungsarbeit, die Produktion z.B. der Croissants entschwindet in ein Reich hochtechnologisierter Hallen, der frühere Bäcker wird in erster Linie ein Überwacher komplexer hochtechnologisierter Vorgänge, der Output ist Massenware, die es einem herkömmlichen Bäcker praktisch unmöglich macht, damit in irgendeiner Form zu konkurrieren – Roboter murren und klagen nicht, sie tun einfach das, was in sie hinein programmiert wurde.
Wir stehen mitten in einem Prozess, wo klassische menschliche Produktionstätigkeiten – auch hochqualifizierter Art – von Robotern und Hochtechnologie übernommen werden, verbunden mit komplexer Logistik, deren Rückgrat Informations- und Kommunikationstechnologie in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen ausmacht. Alltägliche Arbeiten verschwinden so immer öfters aus unserem Visier, fast so, als würden all diese vielen Produkte in einer „black box“ gefertigt (Sweatshops, Produktionsstraßen, genau programmierte Maschinen). Das Hauptziel der Ökonomie verlagert sich immer mehr dahingehend wie diese Produkte dem Konsumenten kommuniziert werden können. Hauptaufgabe heutigen Marketings, bei dem gerade die hochentwickelten Informationstechnologien rund um das Internet eine entscheidende Rolle spielen, ist es all diese „nonames“, produziert in irgendwelchen Ecken dieser Erde, zu (re-)animieren, sie zu „beseelen“ um so wieder eine Brücke zur menschlichen Vorstellungs- und Wunschwelt zu schaffen mit dem letztendlichen Ziel, diese Produkte auch zu kaufen bzw. zu verkaufen.
Wird die Entlastung dadurch, dass im Produktionsbereich immer komplexere Aufgaben von Robotern und Hochtechnologie abgenommen wird, schlussendlich zu einer enormen Belastung? Smarte Technologien breiten sich rasant aus, das smarte Haus, das smarte Auto, Drohnen werden bald den Luftraum bevölkern, wir nähern uns einem Szenario, das eine allumfassende Überwachung jederzeit möglich macht, klassische Jobs tagtäglich obsolet gemacht werden, das Gesicht der Arbeit und der Produktion ist gerade im Begriff sich radikal zu verändern, in 20-30 Jahren wird es Jobs geben, von denen wir heute noch überhaupt keine Vorstellung haben, viele „Klassiker“ hingegen werden verschwunden sein.
Vor dieser Herausforderung steht auch die Schule und speziell WAT. In welcher Form kann sie Orientierung sein? BSO – Berufs- und Studienorientierung versucht eine Antwort, doch Beratung und Information werden nicht ausreichen, es geht darum, dass das, was gemeinhin als „Welt da draußen“ bezeichnet wird, als „Berufswelt“ in ein neu definiertes Verhältnis zur Theorie gestellt wird. Theorie und Praxis sind heute durch die enorme Präsenz virtueller Welten dabei zu verschwimmen: was ist an einem Onlineshop real, was ist virtuell, wo ist die Schnittstelle? Wo ist es Kopfkino, wann hört es auf und wird knallharte Realität?
Theorie und Praxis müssen in ein neues Verhältnis gesetzt werden, und gerade in einem Fach wie WAT wird es v.a. darum gehen, die großen Bögen vom Handwerk bis hin zur computergestützten Produktion in fast aufklärerischer Form aufzuzeigen und sie in Bezug auf unternehmerisches Handeln neu zu bewerten. So reicht der Bogen vom selbstgebauten Möbel bis hin zur computergesteuertes LED-Lichterkette, vom Pflanzen im Garten bis hin zur smarten Bewässerungsvorrichtung.
Wir brauchen den direkten sinnlichen Umgang mit der „Welt“ was immer das sein mag, dafür steht der Garten, die Werkstätten: Orte des direkten Zu- und Umgangs mit Natur und Ökologie – Orte der direkten sinnlichen Erfahrung. Gleichzeitig brauchen wir ein verstärktes Verständnis virtueller Welten, deren Basis eine sich rasant entwickelnde Informationstechnologie ist, in deren Zentrum die Programmierbarkeit von „Welten“ steht. Der Erwerb neuer Kompetenzen wie dem „Coding“ (engl: Programmierung) gehen weit über das Fach WAT hinaus und sind längst nicht mehr nur eine Domäne der Informatik.
Wir stehen am Anfang einer großen Aufgabe die darin besteht, im Sinne der Aufklärung die Alphabetisierung auf dem Gebiet der Computersprachen, dem Umgang mit Robotern und komplexen ökonomischen Systemen voranzutreiben, neue Kompetenzen auf dem Gebiet der Informationstechnologie zu entwickeln, denn nur das Verstehen dieser Logiken wird uns auch fit machen, die Herausforderungen der Zukunft angemessen zu bewältigen – und wir brauchen Handlungskompetenz.
Im Zentrum von WAT standen und stehen noch immer die Werkstätten, deren Erscheinungsbild sich jedoch grundlegend verändert hat. Es wird in Zukunft vermehrt darum gehen, diesen komplexen Strukturen ein Gesicht zu geben, Bögen „von der Hand bis zum Computer“ zu spannen, fatal wäre es, dieses Fach als letzten Hort praktischen Handelns auf handwerklichem Niveau gleichsam „einzufrieren“. „To put into practice!“ – Wie werden heute Projekte umgesetzt, Dinge produziert, Produkte „erzeugt“? Wie wird das gemacht, welche „Mächte“ sind da heute am Werk? Neben klassischen handwerklichen Kompetenzen werden es – verstanden in einem weiten Sinne – auch unternehmerische Kompetenzen sein, die z.B. in Form von Schülerfirmen entwickelt werden müssen. So gesehen geht es auch um Transparenz, die vom Menschen konstruierte Welten sinnlich erfahrbar macht und zum entsprechenden Handeln motiviert.
Anna, der liebe Gott und die Schule
So lautet der Titel des Buchs von R.D. Precht worin er zu einer wie auch immer gearteten Bildungsrevolution aufruft. Die Gefühle beim Lesen sind gemischt, so manches ist zu oberflächlich hingesagt, dann aber trifft er doch wieder den Kern des Problems, zusammenfassend kann folgendes gesagt werden: die Schule muss sich radikal verändern, ein Tatbestand, der wahrscheinlich von vielen geteilt wird, doch danach scheiden sich die Geister fast vollständig.
Ich arbeite seit nunmehr 28 Jahren in diesem Betrieb und ich weiß, wovon ich spreche und dass sich etwas ändern muss, steht für mich außer Frage. Ich habe stets an der Peripherie unterrichtet, Fächer, die im allgemein anerkannten Bildungskanon eine untergeordnete bis gar keine Rolle spielen oder spielten, WAT, Wirtschaft Arbeit Technik und Informatik.Bei Informatik werden wohl viele sagen, dass das Fach wichtig wäre, doch kann heute noch jeder Schüler und jede Schülerin das Abitur absolvieren ohne auch nur in welcher Form auch immer mit Programmieren oder Informatik im Allgemeinen in Berührung gekommen zu sein.
Die neuen Medien, welch abgedroschene Redewendung, sie haben alles verändert, haben uns eine Welt eröffnet, mit der die Schule nur sehr zögerlich umzugehen lernt, ja sie sogar im Herzen vielleicht sogar noch zurück weist. “Coding is the new latin”, solche Sätze sprechen etwas aus, was verdeutlicht, wie dominant Programmiersprachen unser aktuelles Leben beeinflußen.
Im Herzen der Programmierung steht der Algorithmus, eine Methode um Vorgänge gleichsam automatisch ablaufen zu lassen, Prozesse können gesteuert, reguliert und somit auch kontrolliert werden, die Kehrseite des Automatischen ist immer schon die Kontrolle, die Regulierung, die Steuerung gewesen, nur wird sie zu selten ans Licht geholt. Damit ein Algorithmus erstellt werden kann, muss das Problem, um das es sich handelt, endlich sein, es muss sozusagen “terminieren”, darf nicht ins Uferlose laufen, denn dafür sind Programme ungeeignet, sie können nur in einer klar umrissenen Welt sich zurechtfinden, das Unendliche, das Ungefähre ist so gar nicht die Welt der Programmierung.
Spontanität und Programmierung, kann das zusammengehen? Versteht man darunter eine sozusagen aus dem Nichts auftauchende kreative Kraft, die in sekundenschnelle erschafft und schöpft und in eine Form bringt, dann sieht es mit den Programmen wahrscheinlich schon sehr schlecht aus, notwendig dafür ist die Fähigkeit zum intuitiven Erfassen einer Situation, d.h. der Ganzheit einer Situation. Dennoch muss uns allen bewusst sein, dass auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz massiv geforscht und probiert wird und dass mittlerweile Rechensysteme in der Lage sind, selbständig zu lernen, was sie dazu in erster Linie brauchen, das sind Daten und die können mittlerweile tonnenweise geliefert werden.
Programmierung kreativ einsetzen heißt nicht einfach, die Welt “smarter” zu machen, das könnte auch nach hinten losgehen und uns zu immer passiveren Usern degradieren, wir drücken nur mehr die Knöpfe, die Lösungen spuckt das Programm, das aufgerufen wird, aus, scheinbar kreativ, im Grunde aber nur dazu befähigt, was vorher in welcher Form auch immer, in das Programm “hineininvestiert” wurde, das kommt zurück – nicht mehr und nicht weniger.
Alphabet – Dokumentarfilm von Erwin Wagenhofer (2013)
Der Film Alphabet zeigt -wenngleich etwas einseitig- wohin unser heutiges Bildungssystem führt, es scheint geradezu in der Luft zu liegen, etwas fundamental anderes in Sachen Bildung zu versuchen, ja wir sind gefordet, etwas zu ändern, denn so wie es ist, kann es nicht weitergehen.
Die Beispiele waren sehr extrem gewählt: vom zentalistisch gesteuerten zu 100% am Prüfungsselektionismus orientierten Schulsystem Chinas zum schullosen Erziehen von Kindern, sie einzig in ihrem Wachsen zu unterstützen und fördern ohne Konkurrenz ohne sie jemals mit irgendeinem Nachbarn oder einer Nachbarin zu vergleichen. Auch Mr. Pisa – Dr. Schleicher – durfte nicht fehlen, eine graue Figur, aus der nichts als die Obsession zu messen, was es zu messen gilt, spricht, leblos und phantasielos und sie denken, den entscheidenden Schlüssel für die Bildung der Zukunft entwickelt zu haben? Ein Meßgerät um Bildung meßbar zu machen? Diese Menschen verstehen überhaupt nicht, was gestalterischer, unternehmerischer Umgang mit Wirklichkeiten ist, das sind Roboter, angsterfüllt vor jeder menschlichen Reaktion, peinlichst bestrebt, alles unvorhersebare aus dem Leben zu verbannen, graue Mäuse, die aber unendlich viel Schaden anrichten.
Und dann die McKinsey-Menschen, diese gefährlichen der gefährlichsten Roboter, die für die Zukunft gezüchtet werden: Zuchttiere sind das – Woll-Milch-Säue-, ideologisch verbrämt und deshalb auch so gefährlich, der gesamte religiöse Eifer fließt dort zusammen, gebündelt in simplen Ökonomieformeln, denen sie alles opfern. Sie folgen dem Glaubensbekenntnis der Ökonomie, beten um Profitmaximierung und sind bereit, dafür so ziemlich alles, was kreucht und fleucht zu opfern.
Marionetten einer Leistungsideologie, die sie zu komplett ferngesteuerten Robotern werden lässt, nicht Maschinen, nein, sie sind befähigt, Entscheidungen zu treffen, noch dazu ganz wichtige und das tun sie auch mit einer Kälte und Härte, die seinesgleichen sucht. Entemotionalisierte Marionetten, die einem Willen gehorchen, der wohl nicht der ihre ist. Menschen, die es sich nicht werden leisten können, auf ihr Herz zu hören, sie werden nur der Macht und der Verführung frönen: wie kann ich die Aufmerksamkeit auf die oberen Etagen im Supermarkt lenken? Damit werden sie sich beschäftigen, wie kann ich verführen, manipulieren sodass sie in meinem Reich und nicht im Feindesland konsumieren werden.
Heute werden die Kriege ganz anders geführt, es geht um Übernahmen, selbst ist man dann womöglich von einer feindlichen Übernahme bedroht und all das soll ihrer Meinung nach – nach Meinung derjenigen, die ja den Markt so gut zu kennen scheinen – schon von Kindesalter an gelernt werden, Konkurrenz was das Zeug hält und dabei reden alle von Teamfähigkeit, ja wie soll das zusammengehen?
Miteinander kommunizieren ohne sich zu berühren, davon träumen dann diese Menschen, ihr emotionales Korsett soll davon unbescholten bleiben, sie immunisieren sich also, treten nur soweit in Kommunikation, dass es zu keiner wie auch immer gearteten Irritation der eigenen Gefühlswelt kommt, denn das ist der größte Störfaktor überhaupt.
Es liegt in der Luft, es muss etwas geändert werden, zuviele Menschen bleiben heute auf der Stelle und es ist höchste Zeit, dass wir uns endlich von einem bildungsbürgerlich orientierten Bildungskonzept verabschieden, denn was wir wissen können wir noch lange nicht und das, was die Schule lernt bereitet nicht aufs Leben vor sondern dient einzig der Verwahrung und Selektion und nicht der Entwicklung von Unternehmensgeist und Kreativität.
Der Schulgarten, das wird mein Projekt, ich habe dort etwas begonnen, wovon ich anfangs überhaupt keine so klare Idee hatte, doch sie wird immer deutlicher immer umrissener und es soll dort ein Ort entstehen, der eine andere Form des Lernens und Zusammenseins ermöglichen soll, ein Ort an dem es Freude macht zu sein.
Ich will noch in den Jahren, die mir an der Schule verbleiben, etwas verändern, will nicht einfach so in Pension gehen, genauso ans Ende gewurschtelt zu haben wie die davor, nach dem resignierenden Motto: was willst du denn verändern, die Struktur ist zu starr, wir müssen uns nach der Decke strecken etc. also: kleine Brötchen backen, das ist es, was angesagt ist Herr Seyfried -oder?
Ich habe diese Form der Bäckerei satt, ich bin kein Revolutionär, spreche auch nicht davon, ich will Veränderung, Veränderung von Haltungen: der Lehrer_innen, der Schüler_innen und v.a. eine andere Beziehungsstruktur im Gesamtbiotop Schule, denn die aktuell existierenden Athmosphären sind vergiftet, man wird schon beim Atmen krank, die Klassenzimmer gleichen trotz aller Bemühungen kalten Aufenthaltsräumen, wo man, mag man die Tische stellen, wie man will, keine so wirklich positive Athmosphäre hineinbringt, schon gar nicht eine das Lernen-Befördernde und Sich-Darin-Aufhalten-Wohl-Fühlen-Könnens. Die Fächerstruktur ist strukturell destruktiv was das Erfassen von Gesamtzusammenhängen angeht und muss folglich gesprengt werden, genauso wie der Stundentakt, zwei Grundvoraussetzungen, um Änderungen herbeiführen zu können.
Es ist an der Zeit endlich das Buch von Foucault “Überwachen und Strafen” zu lesen, dort beschreibt er die Wurzeln der Disziplinargesellschaft. Heute wollen wir sie überwunden haben, doch wir stecken strukturell noch immer ganz tief drinnen und uns scheinen die Alternativen zu fehlen, die einzige Alternative, die zu greifen scheint ist die der Verführung, der Manipulation durch eine Maschinerie der Werbung, der Beeinflußung, des medialen Dauerbeschuß, nur so scheinen wir eingepasst zu werden – eine hoch entwickelte Gouvernementalität mit dem Decknamen Individualität, die eine Entwicklung hin zur permanenten Vernormung und Standardisierung verdeckt.
Ist unser Individualismus reine Fiktion? Was können wir dem überhaupt noch entgegensetzen? Auf welche Kräfte müssen wir uns besinnen, um eine wirkliche Gegenkraft zur totalen Ökonomisierung entwickeln zu können, eine Kraft, die diesem Ökonomie-Tsunamie auch standhält und nicht sofort wieder davon aufgefressen wird, denn eines ist klar: die McKinsey-Jünger und Jüngerinnen sind bereit bis zum letzten zu kämpfen, zumindest solange sie nicht ein totales Burn-Out ins Off katapultiert.
Virtuell und direkt sinnlich
Es geht nicht darum, ob wir eher die Programmierung oder direkte sinnliche Erfahrungen jenseits informationstechnologisch vermittelter Kommunikation forcieren bzw. fördern sollen, vielmehr geht es darum, eine neue Balance eine neue Mitte zwischen diesen Extremen herzustellen, eine neue Ebene der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine zu entwickeln.
Programmierung auf der einen und direkte sinnliche Erfahrungen auf der anderen Seite. Was ist darunter zu verstehen? Ich verstehe darunter die Vermittlung einer neuen Art von Alphabetismus, der sich diesmal in erster Linie auf das Erlernen formaler Sprachen bezieht, damit ist der Umgang mit Programmiersprachen gemeint, Sprachen, die es ermöglichen, mit einer Maschine zu kommunizieren, einer Maschine jedoch, die sehr unflexibel ist, die exakte und genaueste Anweisungen benötigt, ein Dialogpartner, der nicht zu improvisieren imstande ist und selbst dann, wenn er es zu sein scheint, dies ausschließlich auf ganz komplexen Berechnungen beruht, Berechnungen, die bei der Programmierung bereits mitgedacht worden sind, Berechnungen, die hoch komplex sein mögen, die dennoch nur insofern das “Ganze” abbilden, als es vorher als Ganzes mitgedacht wurde. Dies ist sicherlich eine etwas vereinfachte Darstellung, können doch heute bereits Systeme programmiert werden, die durchaus imstande sind zu lernen, und gerade diese Ebene der neuen Beziehungsformen zwischen verschiedenen „Intelligenzen“ – also künstlich und „natürlich“ stellt eine der größten Herausforderungen für den „Stoffwechsel“ zwischen Mensch und Maschine dar.
Rechner sind endliche Automaten und das sollten wir bei all diesen Diskursen niemals vergessen, Selbständigkeit ist soweit möglich, soweit sie vorher in die jeweilige Software hineingelegt wurde, sie stellt nicht das Produkt einer quasi aus dem Nichts erfolgten Entscheidung dar: alle möglichen Entscheidungen sind deterministisch, d.h. im voraus als mögliche Resultate festgelegt. Ist dies nicht der Fall, so handelt es sich um keinen endlichen Automaten.
Als Gegenpol zu dieser Form der Weltabbildung, der Welterfahrung, der Konstruktion von Welten steht die direkte Erfahrung basierend auf “körpereigenen” Sensoren, die Information wird sozusagen direkt ins Hirn geliefert und dort – wenngleich auch individuell und kulturell konnotiert – verarbeitet, was also keineswegs heißt, dass Erfahrungen dieser Art von Natur aus “rein” seien, Erfahrungen werden hochgerechnet, verarbeitet, kategorisiert etc. es kommt darauf an, in welcher Stimmung und welcher Haltung wir diese Art der Information aufnehmen, in welcher Kultur wir aufgewachsen sind etc., ein Impuls von außen kann stets vollkommen andere Reaktionen hervorrufen, abhängig von den jeweiligen Verarbeitungsprogrammen, die sich in der Folge mit diem Informationsfluß beschäftigen werden.
Im Garten zu arbeiten, in die Erde zu greifen, sehe ich daher als Gegengewicht zu einer in erster Linie virtuell vermittelten Welt, einer Welt, die Millionen von Schaltkreisen bereits durchlaufen hat bevor sie überhaupt erst am Bildschirm landet. Dieser “Nachbau” ist seiner Grundstruktur nach vollkommen anderer Natur als das persönliche sinnliche Erlebnis im direkten Austausch von z.B. Gefühls- und Energieströmen.
Im Internet zu daten hat eine andere Grundstruktur als in einer Bar mit jemandem zu flirten, ja im direkten Austausch sich in welcher Form auch immer zu berühren. Im Virtuellen steht zwischen den Kommunikationspartnern und -partnerinnen steht eine digitale Wand, die es erst mit ihren Kabeln und Funkverbindungen ermöglicht, diese Verbindung herzustellen, im direkten Austausch hingegen, durchlaufen die Ströme ganz andere Bahnen, die Informationen werden anders gefiltert, es wird nicht ständig umgerechnet und über Interfaces angepasst, wir haben es eher mit einer mitunter sehr rohen, direkten Masse an Informationen zu tun, Informationen, die ganz anders aufbereitet unsere Gehirnregionen durchströmen.
sEs geht um nicht mehr aber auch nicht weniger als um direkte sinnliche Wahrnehmung, die ihrerseits wiederum aufgrund verschiedenster subjektiver und kultureller Rahmenbedingungen ganz unterschiedliche Bilder generiert, und Berechenbarkeit: was kann Berechenbarkeit leisten, wo ist sie sinnvoll und wo stößt sie auf Grenzen, was kann hingegen z.B. Intuition oder ein subjektives Gefühl leisten und wo stößt man hier wiederum auf Grenzen: Diese Fragen sind zu stellen. Begreifen wir Intuition etwas vereinfacht als das Ergebnis komplexer erfahrungsgeschichtlicher Verarbeitungen, und verlieren wir diese Fähigkeit zu intuitivem Handeln, so werden wir zusehends abhängig von komplexen Berechenbarkeitssystemen, was in letzter Konsequenz ja nichts anderes bedeutet als ein massiver Verlust an individueller Freiheit.
Intuition erfordert Entschlossenheit, erfordert einen ausgeprägten Willen und den scheinen wir aber zusehends im Dschungel der Berechenbarkeit abzugeben: je mehr in Berechnungen delegiert wird umso weniger entschlossen treffen wir persönliche Entscheidungen, verlassen wir uns auf das Urteil eines anderes, einer anderen, einer Maschine vielleicht. Von daher die Notwendigkeit zum Erlernen dieser Sprachen, mit denen wir es vermögen, mit Maschinen zu kommunizieren, denn sie sind die „Mitbewohner“ des modernen Menschen geworden, im Format des Smartphones tragen wir sie fast wie ein Heiligtum mittlerweile vor uns her.
Frei nach Beuys – der Schulgarten als soziale Plastik
Das mit den Künsten ist so eine Sache. Was ist denn das überhaupt – die Kunst? Als Avantgardefunktion scheint die Kunst ihre Rolle längst verloren zu haben. Wenngleich nicht auf den ersten Blick sichtbar, so habe ich mich im Kontext von Wirtschaft-Arbeit-Technik (früher Arbeitslehre) und der Informatik stets mit Fragen der Gestaltung, des Designs, ganz allgemein der Kreativität auseinandergesetzt und versucht, dies in den Unterricht einfließen zu lassen.
Den Kunstbegriff auf sogenannte musische Fächer zu beschränken erschien mir immer schon skandalös, klammert er doch den ganzen Komplex des Naturwissenschaftlich-Technischen fast zur Gänze aus, aber gerade von dort sind in den letzten Jahrzehnten wohl die größten Innovationsschübe ausgegangen.
Ich spreche von Informationstechnologie, die die Ästhetik der Kommunikation in einem Maß verändert hat, deren Konsequenzen wohl noch nicht wirklich absehbar sind. Apple&Co haben die Welt mit Designerprodukten überzogen, haben neue Netze und „Gemeinden“ geschaffen. Wohl verdankt Apple seinen Erfolg technischer Innovation, doch ein Großteil des Erfolgs basiert auf der Neudefinition von Kommunikationsdesign im digitalen Zeitalter.
Dem gegenüber steht ein anderer Trend in unserer Gesellschaft, den ich jetzt sehr frei etwa als „Rückkehr zu einem etwas weniger komplexen Leben“ bezeichnen möchte, die Sehnsucht nach Elementar-Sinnlichem, nach direkten und authentischen Erfahrungen, nicht dauermanipuliert durch irgendwelche Animationen (Stichpunkt aktuelle Yogakultur). Gerade in diesem Kontext gewinnen Schlagworte wie Nachhaltigkeit und Ökologie eine neue Rolle und Bedeutung.
Genau in diesem Zusammenhang möchte ich das Projekt „urban gardening“ erwähnen. Dieses Projekt läuft seit dem Herbst 2009 und wird seitdem tatkräftigst vom Förderverein unterstützt. Über die Jahre entstand dort ein Garten, in dem Gemüse genauso wie Blumen gedeihen. Der Garten wird zusammen mit einem Gärtner ständig weiter entwickelt, aktuell läuft ein fächerübergreifendes Projekt (Nawi und WAT), das sich zur Aufgabe gemacht hat, mobile Beete anzulegen, darin Gemüse zu pflanzen, das im Laufe des Unterrichts dann auch verarbeitet werden soll, duales Lernen in Reinform, so wie es derzeit überall gefordert wird.
Im Bereich der Informationstechnologie sind in den letzten Jahren neue Verbindungen zwischen Design und Technik entstanden, Brücken, die dazu beitragen sollen, Berührungsängste mit Technik im Allgemeinen für sogenannte „Kreative“ abzubauen, es geht um einen neuen spielerischen Zugang zum Gestalten mit Technik und Elektronik. Als Beispiel hierfür wäre Arduino zu erwähnen, ein Mikrocontroller, der eine neuartige Interaktion zwischen Mensch und Maschine, sowie die relativ einfache Realisierung von Kunst- und Roboterprojekten in Form funktionsfähiger Prototypen ermöglicht. Dieses Projekt wurde dieses Jahr zum ersten Mal in einem Basiskurs Informatik in der 11. Klasse durchgeführt und stellt den Versuch dar, Informationstechnologie im Kontext zu erleben, mit Technik zu gestalten, Kommunikation mit Technologie zu gestalten.
Die Schule der Zukunft braucht Orte, wo Erfahrungen vielfältigster Art gemacht, wo soziales Zusammenwirken und soziale Zusammenhänge jenseits des Klassenzimmers erlebt werden können: durch das Arbeiten an einem gemeinsamen Projekt, durch gemeinsames Gestalten, einem veränderten Umgang mit Natur sowie der Sensibilisierung für ökologische Kreisläufe. Einer informationstechnisch durchgestalteten Welt wird jetzt nicht der „Garten“ als DIE Alternative entgegengesetzt, sondern als ein Ort vorgestellt, wo Erfahrungen anderer Art möglich sein sollen, Erfahrungen die in Verbindung mit einer sich immer weiter ausbreitenden Kommunikation zwischen Mensch und Maschine von größter Bedeutung sein werden. In Zukunft werden wir beides brauchen: kreativ gestaltete Informationstechnologie UND Ökologie/Nachhaltigkeit, anders werden die Probleme der Zukunft wohl nicht zu bewältigen sein.